Donnerstag, November 10, 2005

Vincenz Liechtenstein betrunken im Rechnungshofausschuß?

Schwere Vorwürfe erhebt der Grünabgeordnete Peter Pilz gegenüber Nationalrat Vincenz Liechtenstein (ÖVP). Dieser habe gestern anscheinend betrunken an einer Sitzung des Rechnungshofausschusses teilgenommen, wie Pilz in seinem Blog und der ORF heute berichtet.

Laut Pilz habe Liechtenstein versucht, diesen bei Fragen im Zusammenhang mit der Industriellenvereinigung (IV) und deren Finanzierung der Grasser-Homepage zu stören. Dieser Umstand entbehrt nicht einer gewissen Würze, gilt der verbalkonservative Abgeordnete, der übrigens ein vehementer Unterstützer der angeblichen Pro-Life Kandidatin Kugler-Lang ist, ja als Mann der IV.

Die Austria Presse Agentur (APA) will lt. ORF von Sitzungsteilnehmern erfahren haben, daß Liechtenstein Pilz beflegelt habe und in dessen Richtung gekippt sei. Die Sitzung wurde jedenfalls unterbrochen und die ÖVP ersetzte Liechtenstein umgehend durch den Abgeordneten Tancsits.

Liechtenstein entschuldigte sich später bei den Ausschußmitgliedern "... für ein mögliches Fehlverhalten ...".

Mit einer Vorverurteilung des Abgeordneten sollte man jedoch vorsichtig sein. Liechtenstein gilt als gesundheitlich angeschlagen und den schwerkranken Bundespräsidenten Klestil hatte so mancher Fernsehzuschauer bei Interviews, die vermutlich unter Medikamenteneinfluß stattfanden, auch für betrunken gehalten. Klestils Ansehen wurde Opfer davon, daß er einerseits der Öffentlichkeit zur Verfügung stand, den Grund für sein teils irritierendes Verhalten aber nicht kommunizierte. Ein Fehler, den Liechtenstein, falls sein Benehmen tatsächlich aus einer mit Alkohol nicht in Zusammenhang stehenden Erkrankung resultiert, anscheinend zu wiederholen gedenkt.

Auf jeden Fall läßt die Affäre nur unangenehme Schlüsse zu. Entweder betreibt Peter Pilz Charaktermord an einem physisch kranken Gegner oder Vincenz Liechtenstein hat tatsächlich ein Alkoholproblem. Ein volltrunkenes Erscheinen in einer Nationalratssitzung kann nicht als Kavaliersdelikt abgetan werden, auch wenn es öfters vorkommen soll. Liechtenstein wäre dann auf jeden Fall rücktrittsreif, denn gerade christlich-konservativ orientierte Wähler dürften sich von jemandem mit einer solchen Amtsauffassung kaum gut repräsentiert fühlen.

Herr Liechtenstein ist in der Steiermark in mehreren Parteifunktionen und österreichweit als Verbandsfunktionär tätig (u.a. Eisstockschützen, katholische Korporationen). Er gründete in den Siebzigerjahren die konservative ÖH-Partei "Junge Europäische Studenteninitiative - JES", die trotz Anfangserfolgen vor knapp zehn Jahren mangels politischem Mandat zusperren mußte. Von 1988 bis 2004 war Liechtenstein mit einer kurzen Unterbrechung Abgeordneter des Bundesrates.

Die faktische politische Bilanz des Wirkens Liechtensteins, das sich nun, egal was hinter gegenständlichem Vorfall steckt, dem Ende zuzuneigen scheint, ist auch Abseits des Scheiterns der JES bescheiden. Zwar hat Liechtenstein öfters mit konservativen medialen Äußerungen aufhorchen lassen, konkrete Fortschritte in der Umsetzung seiner Inhalte hat er aber nicht zustandegebracht.

Liechtenstein verfolgte stets eine Strategie der internen Beeinflussung der Partei in christlich-konservativem Sinne, die als gescheitert angesehen werden darf und mit seiner Unterstützung für die Umkippkandidatin Kugler-Lang einen Glaubwürdigkeitstiefpunkt erreicht hat. Katholisch-konservative politische Konkurrenz abseits der ÖVP, wie z.B. die "Christlich-Soziale Allianz – CSA" oder die Versuche einer Parteigründung durch den Verein "Pro Vita", hat Liechtenstein bisher stets mit Verve bekämpft. Nicht zuletzt sollte bei einer Bewertung des Wirkens Liechtensteins bedacht werden, daß gerade die Landespartei aus der er stammt und in der er noch mannigfach tätig ist, als eine der liberalsten gelten kann (z.B. wiederholte Forderung nach Homoehe durch Klubobmann Drexler).

(Bild: Pressefoto vincenz-liechtenstein.at, Elisabeth Kessler 2005)